Point of Departure

Yuji Takeoka, Toshihiko Mitsuya

Ausstellung
28.09.2012 — 05.01.2013
Galerie Claudia Delank | Bleibtreustr. 15–16, 10623 Berlin
Die Ausstellung ist Dienstag–Freitag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Vernissage
27.09.2012 | 19:00 Uhr
Musikalische Begleitung durch das Berlin-Tokyo Quartet (Tokyo Tsuyoshi, 1. Violine; Moti Pavlov, 2. Violine; Eri Sugita, Viola; Ruiko Matsumoto, Cello)
Einführung in die Ausstellung durch Dr. Alexander Hofmann, Kurator für Japanische Kunst, Museum für Asiatische Kunst, Berlin

Performance
31.10.2012
Die Skulptur von Toshihiko Mitsuya wurde vor der Galerie Claudia Delank in der Bleibtreustraße, vor dem Neuen Pavillon im Schloss Charlottenburg, vor dem Schloss Bellevue, auf der Lutherbrücke und am Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof gezeigt.

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Der transkulturellen Skulptur einer überlebensgroßen Ritterfigur zu Pferde aus Aluminiumfolie des jungen japanischen Künstlers Toshihiko Mitsuya (*1979), die Dürers (1471–1528) Radierung Ritter, Tod und Teufel thematisiert, stehen die minimalistischen Graphiken des international renommierten Künstlers Yuji Takeoka (*1946) gegenüber. Die zentrale Figur in Dürers Radierung von 1513 ist ein Ritter in voller Montur auf einem Ross. Man beachte die feine anatomische Ausarbeitung des Pferdekörpers, wie sie typisch für die Renaissancekünstler ist, die sich für Naturwissenschaften und Anatomie interessierten. Wahrscheinlich wurde Dürer von Eindrücken seiner Italienreise beeinflusst, so entwarf er das Pferd nach einem selbstentwickelten, an Leonardo da Vinci (1452–1519) angelehnten Proportionskanon. Der japanische Künstler Toshihiko Mitsuya hat in seiner Skulptur dem Material der Aluminiumfolie entsprechend auch viele Details eingearbeitet, allerdings nicht mimetisch der Radierung Dürers folgend, sondern er hat seine eigenen erfunden. Dabei ergibt sich ein typisch japanisches Gegeneinandersetzen verschiedener Muster wie der Mähne und der Schmuckdecke des Pferdes. Auch ist der Schwanz des Pferdes in einer alten japanischen Seilflechttechnik erstellt, sein Körper durchbrochen und transparent. Zwei weitere, weniger vertrauenerweckende Begleiter des dürerschen Ritters sind der Tod und der Teufel. Der Tod wird auf Dürers Radierung dargestellt als bärtige, Gestalt mit Schlangenhaar auf einem klapprigen Pferd mit der Sanduhr als Vanitassymbol. Der Teufel ist eine Mischung aus verschiedenen Tieren. In Mitsuyas Skulptur sind Tod und Teufel in der Gestalt des Ritters verschmolzen. So ist ein Arm und ein Bein den Röhrenknochen nachgebildet, der Arm mit Armreifen geschmückt. Seine Augenhöhlen symbolisieren den Tod. Mitsuyas Ritter trägt fliegenden Bänder, die chinesischen Reitern nachgebildet sind. Noch sitzt der Ritter stolz auf seinem Pferd, aber bald kann er Tod bringen und selbst den Tod erleiden. Der Ritter steht für die ein aktives, kämpferisches Leben.

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Yuji Takeokas minimalistischen Arbeiten konstrastieren mit der narrativen Ritterfigur Mitsuyas. Hier stehen die drei Quadrate für drei Aspekte des Lebens, Rot für die pralle Lebendigkeit, Schwarz für den Tod und Gold für Ruhm, Ehre und Luxus. Yuji Takeokas Werke schöpfen ihre Kraft aus formaler Klarheit und der Aneignung von Räumlichkeit auf verschiedenen Ebenen. Zwar ist Takeoka der Minimal Art als Referenzpunkt verpflichtet, geht aber über diese in Bezug auf die symbolische Aufladung der Ästhetik weit hinaus. Das eigentliche Kunstwerk ergibt sich aus dem Zusammenspiel zwischen dem real fassbaren Objekt und dem Ausstellungskontext – den Museums- oder Galerieräumen – mit dem der Künstler zudem zur Reflexion über die Präsentation von Kunst anregt. Seit Mitte der 80er Jahre thematisiert Takeoka mit seinen Skulpturen Ausstellungsarchitektur wie z.B. leere Sockel, die befremdlich verlassen wirken und scheinbar noch auf ihr Kunstwerk warten. Mit dem Weglassen dessen, was der Betrachter „eigentlich“ im Museum erwartet, legt Takeoka gerade den Fokus auf dieses „Eigentliche“ und doch Unsichtbare. Die durch Takeokas Werke so erschaffenen Leerstellen provozieren eine Erwartungshaltung beim Rezipienten, die zu einer nachhaltigen Reflexion über das Gezeigte und das Vorenthaltene führt. Takeokas Sockel behandeln den Raum „als Form“. Es ist ein Raum, der die Grundlagen von Raum als Intuition entstehen lässt, ein abstrakter Raum, in dem Dinge erscheinen und an der Schaffung sämtlicher konkreter Räume mitwirken. Wir haben es mit einer extrem gereinigten zur Schau stellenden Form der Präsentation zu tun.

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In Takeokas Werken spielen das japanische „Ma“ (das Dazwischen im zeitlichen und räumlichen Sinn) und das „Mu“ (das Nichts als Potentialität) eine wichtige Rolle. Auch in der projektierten Ausstellung arbeitet Takeoka mit der Negation bzw. der Absenz von Kunst, die dadurch selbst zum Kunstwerk wird. Als Material dienen Takeoka die Objekte des Ostasiatischen Museums. Mit seinen eigenen Kunstwerken erschafft Takeoka den Objekten einen Raum, in dem sie sich vor dem Auge des Betrachters neu definieren können.