Tōkyō
Fotografie 2005/6
Ausstellung
13.01.2025 – 08.03.2025
Art Space Claudia Delank | Bleibtreustr. 15–16, 10623 Berlin
Nach Vereinbarung
Takashi Homma (geboren 1962 in Tokyo) ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Photokünstler in Japan. Er wurde durch die Serie „Tokyo Suburbia“ nicht nur in Japan, sondern auch international bekannt. 1999 erhielt er den rennomierten Kimura Ihei Memorial Photographic Award, im Jahr 2000 hat das Photomuseum Winterthur ihm eine Einzelausstellung gewidmet und 2003 hat er an der legendären, umfassenden Ausstellung The History of Japanese Photography in The Museum of Fine Art in Houston, Texas teilgenommen. Takashi Homma hat an der Nihon University in Tokyo Fotografie studiert und lebt und arbeitet in Tokyo.
Wie viele japanische Fotografen arbeitet auch Takashi Homma für Zeitschriften und japanische Magazine. Seine Fotografien zeichnen sich durch intensive Farbigkeit, Leichtigkeit und Akribie aus. Gleichzeitig ist in ihnen ein japanischer Sinn für Zwischenräume (ma), Proportionen und Rhythmus spürbar.
Takashi Hommas Werk thematisiert die Stadt Tokyo in ihren Gegensätzen. Ob aus der Vogelperspektive oder aus der motorisierten Sicht, in den überwältigenden Landschaften aus Beton- und Glasarchitektur sind alle natürlich gewachsenen Elemente dem Credo von Wirtschaftlichkeit, Technizität, Funktionalität und Mobilität unterworfen.
In diesem Bild, das Takashi Homma von Tokyo entwirft, scheint selbst der Mensch kaum eine Rolle zu spielen. Tatsächlich tauchen in seinen Großstadtfotografien nur marginal Menschen auf. Dennoch hat man das Gefühl, dass Takashi Homma einen ganz persönlichen Blick auf die Stadt wirft.
Neben den Großstadtaufnahmen und den sterilen Vorortbildern setzt Takashi Homma auch japanische Kinder ins Bild und wirft durch die Konfrontation von Stadt und Kindern, etwa in der Serie „Tokyo and my Daughter“ (2006) die Frage auf, wie Leben und Aufwachsen in dieser Metropole möglich ist.
Takashi Homma fängt mehrere Facetten aus dem Leben in Tokyo ein, von dem Blick aus der Luft auf Tokyo, den Park von Shinhjuku und die umstehenden Hochhäuser s hin zum Interieur ganz dem Lifestyle im westlichen Stil verpflichtet mit Snoopy, Begonientopf und CD-Stapeln auf einem Stuhl vor einem hellen Fenster. Takashi Homma dokumentiert in seinen Fotografien intime, persönlichen Momente einer wirtschaftlich dynamischen Gesellschaft in Tokyo.
Mit der Maßstäbe setzenden Serie „Tokyo Suburbia“ (1995–1998) hat er seinen Ruhm als Photokünstler begründet. Er photographiert e zwischen 1995 und 98 Vorort-Szenerien der klassischen Tokyoter Vororte der 80er Jahre, die um den Stadtkern von Tokyo herum gelegen und innerhalb von 1 bis 2 Stunden per U- oder Privatbahn zu erreichen sind (täglich 4 Stunden per Bahn unterwegs zu sein ist üblich, wenn man in Tokyo arbeitet). Es sind moderne Stadtteile mobiler Salerymen und ihrer Familien mit dem Luxus breiter Straßen und Fahrradwege.
Takashi Homma fängt aber auch die Stille, die über den Vororten liegt ein, die dem Soziologen Miyadai Shinji zufolge Jugendliche hervorbringen, die kurz vor dem Ausrasten stehen. Ein Beispiel aus der Serie zeigt einen Jungen, der direkt in die Kamera schaut, etwas linkisch posierend, Hose hip-hopmäßig auf der Hüfte, offene Schnürsenkel, mit zerknittertem weißen Hemd, zu kurz gebundener Kravatte – Non-Konformität zur Schau stellend.
Diese Non-Konformität wird in Japan schon seit Generationen von Studenten auf den Colleges mit alten Schuluniformen ihrer Väter und Großväter zur Schau gestellt, eine Non-konformität, die aber nicht in Gewaltaktionen ausartete.
Takashi Homma wollte eigentlich Baseballspieler werden und dann Photograph. Nachdem er seinen Traum vom Baseballspieler aufgegeben hatte, hat sich ganz und gar der Photographie verschrieben: „I want to do more of this and I keep doing it until I die“.
E studierte Photographie an der Nihon Universität in Tokyo. Er hatte aber bald genug von den Kommilitonen, die sich mit Phototheorie-Kenntnissen zu übertrumpfen suchten, um so mit ihrem Wissen anzugeben. Für ihn ist es besser morgens früh aufzustehen und so viele Photographien wie möglich zu machen.
Kurz vor dem Abschluss brach er sein Studium ab und nahm eine Stelle in der sehr renommierten Werbeagentur „Light Publicity“ in Tokyo an und arbeitete dort für 6 Jahre. Er beschreibt sich selbst als „pitcher type“ (Werfer im Baseball), d.h er geht gerne in Führung, wirft den Ball und bringt die Dinge in Bewegung. Er hat sich immer gegen das auch in der Kunst so dominante sempai und kohai-System, das japanische Senioritäts-Prinzip gewandt. Nach 6 Jahren kehrte er der Werbeagentur den Rücken und ging für ein Jahr nach London und arbeitete dort für i-D und andere Mode-Magazine.
Er kehrte nach Tokyo zurück, weil er nicht die Bedingungen für seine Arbeit gefunden hatte, die Themen und das gesellschaftliche Umfeld war für ihn nicht relevant genug. Er kam zu dem Entschluß, dass er seine Basis in Tokyo brauchte, um seine eigne Arbeit voranzutreiben und, um das zu tun, was er nur als Japaner tun konnte.
Er fuhr fort, sich gegen die festgefahrenen Strukturen des „photography establishments“ zu wenden, gleichzeitig war es ein kontinuierlicher Kampf, sich in ihm zu behaupten, effektiv zu arbeiten und zu überleben.
Er hat alle Hindernisse auf diesem Weg überwunden, eine feste Position als einer der führenden zeitgenössischen Photokünstler Japans errungen und sich daraus eine große Freiheit, Selbstvertrauen und Leichtigkeit bewahrt.
Er sagt, dass er von der Haltung Kishin Shinoyamas und Nobuyushi Arakis gelernt habe, d.h. „ sich der Position bewußt zu sein, für die Medien zu arbeiten, aber voll die Erfahrung mit den Medien für die eigene Arbeit zu nutzen.“
Er sagt selbst: „“I am pessimistic (about the media), but I want to use it positively“.
Diese kluge Sichtweise färbt alle seine Aktivitäten, seinen Einssatz von Vorort- Szenerien auf den Seiten von Mode-Magazinen, sein Engagement in der Herausgabe von Büchern und Katalogen, seine Kurzfilme, sowie die Entdeckung von jungen Talenten wie z.B. Hiromix oder seine Unterstützung der „Girl’s photography“.
Takashi Hommas Hauptstärke ist sein professioneller Stolz als Photograph. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich die japanischen Photokünstler in ihrem Selbstverständnis generell als Photographen denn als Künstler sehen. Dies hängt mit der Geschichte der japanischen Photographie (shashin) zusammen. Kaum eine westliche Errungenschaft wurde bereits vor der Öffnung des Landes (1853) so schnell und erfolgreich in Japan rezipiert wie die Photographie. Die Technik haben Japaner von westlichen Lehrmeistern wie Felice Beato (1825–1904) in Yokohama (Yokohama-shashin) übernommen und vor allem den westlichen Markt mit handkolorierten Studio-Photographien aus Japan bedient. Neben der kommerziellen Photographie (shashin-ya-san) gab es in Japan aber auch bereits um 1900 eine künstlerische Photographie (shashin-shi). Nicht allein die Technik des Photographierens ist aus Europa übernommen worden, sondern um 1900 nach amerikanischen Vorbild auch das „Prinzip der Kunstfotografie“, die Anlehnung der Photographie an die Malerei. Die japanische Kunstphotographie zwischen den Weltkriegen reichte von Nachklängen des Jugendstils (Suizan Kurokawa, 1882–1944) über experimentelle und konstruktivistische Tendenzen (Masataka Takayama, 1895–1981)) bis zur Aktphotographie. Wichtigster Protagonist der Avantgarde-Photographie in Japan war Iwata Nakayama (1895–1949), der in der Zeitschrift Asahi Camera 1928 den Aufsatz „Reine Kunstphotographie“ veröffentlichte und 1930 mit Kanbei Hanaya (1903–1991) den legendären „Ashiya Camera Club“ gründete. In den 30er Jahren zeigt sich eine Rezeption der Bauhaus-Photographie in Japan bei z.B. Nojima Yasuzo (1889–1964) und Koishi Kiyoshi (1908–1957). Die Reihe der japanischen Photokünstler nach dem 2. Weltkrieg setzt sich bis heute mit wichtigen Namen fort: u.a. Ihei Kimura (1901–1974), Ken Domon (1909–1990), Shoji Ueda (1913–2000), Eikoh Hosoe (1933–), Daido Moriyama (1938–), Takuma Nakahira (1938–) bis hin zu Nobuyoshi Araki (1940–), Hiroshi Sugimoto (1948–) und Miwa Yanagi (1967–). Die Geschichte der japanischen Kunst- und Avantgarde-Photographie geht also im Gegensatz zu der sehr viel jüngeren anderer asiatischer Ländern (z.B. Koreas) sehr weit zurück und knüpft als Printmedium in bestimmten Aspekten an die Tradition der japanischen Farbholzschnitte an (ukiyo-e). Die Photographie eignet sich besonders als Medium für den Ausdruck japanischer künstlerischer Sensibilität.
Takashi Homma hat ein klares Motiv für jede Photographie, die er macht. Er wählt die Methode, die seinem Zweck und seinem eigenen Charakter dient. Dieser sichere konzeptionelle Ansatz schlägt sich nieder in Photographien, die jede persönliche Identifikation des Künstlers mit dem Objekt ausschließt, aber gleichzeitig Photographien sind, die nur er machen kann.
Er sagt selbst: „Photographs that strongly reveal the qualities of the artist and can only be seen in one way are uninteresting to me. I sense more strength in anonymity”.
Es ist, als ob die Kamera Teil von Takashi Hommas Körper geworden wäre.
Er akzeptiert nicht passiv den Status quo.
Er fährt fort den Ball zu werfen, das Spiel in die Hand zu nehmen.
Es ist eine Stärke in Hommas photographischer Praxis, die aus dem Überwinden von Konflikten erwächst.
(Dr. Claudia Delank)