Japanische Spielkultur von der Edo-Zeit (1603–1868) bis heute — Malerei, Fotografie, Farbholzschnitte, Kreisel und Designer-Toys
Ausstellung
24.04.2013 — 15.06.2013
Galerie Claudia Delank | Bleibtreustr. 15–16, 10623 Berlin
Die japanische Spielkultur (asobi), die wir heute als Manga, Anime, Kawaii-Kult und Designer Toys kennen geht in Japan bis ins 8. Jahrhundert zurück. Im ältesten historischen Quellenwerk Nihonshoki, werden Kreisel (koma) als Vergnügen der Krieger erwähnt. Koma ist auch eine Bezeichnung eines alten koreansichen Staates und koma tsukuri sind vergnügliche Dinge aus dem Lande koma. Bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts dienten die Kreisel vor allem Adeligen zum Vergnügen. Ihre große Popularität und Blütezeit erlangten die Kreisel in der Edo-Zeit (1603-1868).
Zur Vergnügungskultur der Edo-Zeit gehörte das Kreiselspiel, vor allem die Schaustellerische Variante der Kreiselakrobaten. Sie ließen Kreisel auf den Zacken eines Fächers oder ein Seil tanzen. Ihre Kunstfertigkeit mit großen Kreiseln aus Lack führten sie in Schaubuden der Vergnügungsviertel vor. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts konnte man ihre Nachfahren noch in japanischen Kaufhäusern oder kleinen Varietetheatern bewundern. Ein weiterer Vergnügungsaspekt war das Wetten mit Kreiseln. Wie beim Roulette wurde Geld auf Zahlen und Symbole gesetzt. In der Edo-Zeit entwickelte sich auch das Spiel mit sogenannten Kampfkreiseln (kenkagoma) zum beliebten Knabensport aller Stände. Darstellungen aus zeitgenössischen Farbholzschnitten zeigen vor allem Samurai-Knaben bei diesem Sport. Hierin zeigt sich nach den Ausführungen des Kunsthistorikers Johan Huizingas in seinem Buch Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Ein mehr religiös motivierter Brauch war das Kreiselspiel an Neujahr, das in der Edo-Zeit nach dem Mondkalender Mitte Februar gefeiert wurde. So wie man Drachen zu Neujahr steigen ließ, so drehte man Kreisel als glückbringendes Omen, je länger sie drehten desto besser das Omen. In der Mitte der Edo-Zeit entfaltete sich im 18. Jahrhundert der große Formenreichtum der sogenannten Edo-goma, die über die reine Drehfunktion der Kreisel hinausging. Flieh- und Schwerkraft sowie Reibung inspirierten die Kreiselmeister zu immer neuen Erfidnungen: Balance-, Herausspring-, Märchenkreisel, Tellerakrobaten und Lampiongespenster – um nur einige zu nennen. Wenn ein Kreisel sich so schnell dreht, dass man die Drehung selbst nicht mehr wahrnimmt, dann sagt man in Japan, dass „er schläft“. Die Gleichzeitigkeit von Bewegung und Stillstand lässt sich auch mit den Worten des Dichters T. S. Eliot aus dem Gedicht Burnt Norton (1936) umschreiben: „There would be no dance and there is only the dance“.
Seit Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts werden Kreisel zunehmend als Sammelobjekte geschätzt und gefördert. Eine Auswahl von Edo-goma aus den 80er Jahren bilden den Kern der Ausstellung als Vorläufer der Designer Toys und Anime Figuren, die mit einigen Exemplaren vertreten sind. Malerei von Ogata Gekko, Farbholzschnitte von Hokusai und der Utagaewa Schule, Yokohama-Photographie, Pokemon von Kazue Yoshikawa, die Tuschemalerei Das Vergnügen der Frösche eines anonymen Malers runden die Ausstellung ab.